Das Donald Duck Dossier: Kapitel 5 - Donalds Probleme © by Volker Böhme

Donald zu unterstellen, daß er keine Probleme hat, wäre wie Eulen nach Athen tragen. Er ist förmlich gespickt mit Problemen. Welches aus dieser Vielzahl sein größtes Problem ist, vermag ich nicht zu sagen. Hängen sie doch alle irgendwie zusammen und bauen aufeinander auf.

Grobian Gans führt Donalds Probleme auf Störungen in der Kindheitsentwicklung zurück [103]. Dieser Aussage kann ich mich nicht anschließen. Sie ist mir zum einen zu spekulativ und zum anderen würde sie nur einem Bruchteil gerecht werden. Wenden wir uns doch besser den überlieferten Tatsachen zu und versuchen Donalds Probleme Stück für Stück zu analysieren.

Da wäre erstmal sein ausgeprägtes Geltungsbedürfnis. Und hier gebe ich Grobian Gans (s.o.) Recht, wenn er feststellt, daß Donald mit unbeirrbarer Hartnäckigkeit der öffentlichen Anerkennung nachjagt. Das ist für sich genommen ja nichts Schlimmes, wenn da nicht das ewige, unselige Verlangen wäre, etwas Spektakuläres, Einzigartiges, Noch-Nie-Dagewesenes zu tun. Seine Hartnäckigkeit und sein stetes Versagen belegt folgender Dialog [108]: Dagobert "Kopf hoch, Neffe! Denk immer daran, daß man nur aus Fehlschlägen klug wird!" darauf Donald "Dann müßte ich ein Genie sein!"

Donalds Problem bei der immerwährenden Jagd nach Anerkennung ist, daß er jedesmal völlig unvorbereitet und ohne jegliche Grundlage an die Dinge herangeht. Er liest ein kleines Handbuch zu irgendeinem Thema und hält sich prompt für den größten, lebenden Experten. Dadurch wird sein oben erwähntes Geltungsbedürfnis mit einer gehörigen Portion Selbstüberschätzung gewürzt. Seine Umwelt, besonders seine Neffen, nehmen ihm dieses Expertentum natürlich nicht ab und foppen ihn entsprechend. Und in seinem Bemühen sich und der Fachwelt zu beweisen, was für ein Genie er ist, verstrickt sich Donald immer tiefer in seinem Unglück, bis er mit Pauken und Trompeten untergeht. Zwar verschließt er sich nie der Tatsache, versagt zu haben und gibt oft auch zu, zuviel auf einmal gewollt zu haben, aber das hindert ihn nicht daran, sich beim nächsten Mal wieder selbst zu überschätzen.

Vielleicht hängt das ja alles mit seiner Körpergröße zusammen. Wer kennt nicht die mannigfaltigen Probleme kleingewachsener Personen. Ich würde Donald auf etwa 1,54 Meter schätzen und nenne mir doch einer einen ausgewachsenen Mann in dieser Größe, der nicht giftig, gereizt und hyperempfindlich ist. Immer fühlen sich diese Typen zurückgesetzt, unterbewertet und kompensieren das durch aufgesetztes Verhalten oder gesteigerte Aktivitäten, obwohl sie innerlich voller Komplexe stecken. Außer an seiner Größe ist an Donalds Körper nichts weiter auszusetzen. Gut, er ist nicht besonders muskulös, aber auch nicht besonders schlaff. Ein bißchen blaß vielleicht, aber nichts, was ihm weitere Probleme bereiten könnte.

Im Psychogramm der Sippe der Ducks bezeichnet der Autor Donald als "faschistoiden Kleinbürger" [103]. Ein ekliges Wort, das ich in dieser Schärfe nicht gelten lasse. Sicher, in vielem erweist sich Donald als kleinbürgerlicher Phantast. Seine Träume nach Reichtum, Erfolg, Ehre und Glück und auf der anderen Seite die tägliche Realität mit niederen Arbeiten, Schulden und Ärger. Mein Gott, da ist er doch genauso wie wir. Wir träumen doch alle vom großen Los und sind innerlich froh, daß uns unsere kleine, heile Welt erhalten bleibt.

Und der Vorwurf des Faschismus?! Faschistisch sein heißt u.a. totalitär sein, keine andere Meinung zuzulassen. OK, klar versucht Donald das, besonders bei Tick, Trick und Track, aber er scheitert immer wieder und sieht es meistens sogar auch ein. "Sein Hang zur Uniform ist notorisch" stellt Grobian Gans fest [103] und meint, daß sobald Donald mal einen Job erwischt hat, der ihn mit öffentlicher Gewalt ausstattet, sein latenter Faschismus aus ihm herausbricht, indem er Angst und Schrecken unter den Bürgern verbreitet. Das interpretiere ich anders. Das mit der Uniform stimmt. Aber würde nicht jeder mal gerne den Hauptmann von Köpenik spielen. Eine Uniform verleitet halt, verkörpert sie doch das Gesetz. Und wenn Donald in seinem Bestreben, dem Gesetz die ihm zustehende Anerkennung zu verschaffen, ein wenig über sein Ziel hinausschießt, stempelt ihn das noch lange nicht zum Faschisten!

Ein großes Problem ist Donalds Verhältnis zur Arbeit. Er arbeitet nur, um Geld zu verdienen. Hat er genug Geld, hört er auf. Das klingt ziemlich banal, doch auf diesen einfachen Nenner läßt sich Donalds Lebensphilosophie bringen. Die gleiche Aussage, nur etwas pathetischer, hat Klaus Kinski getroffen, indem er feststellt "Die Gelder, die ich forderte und wieder verschleuderte, waren das Betäubungsmittel für ein Leben, aus dem es für mich kein Entrinnen zu geben schien." [111] Leben kostet halt Geld, egal wie niedrig man seine Ansprüche stellt. Und Donald wird leider nicht durch irgendwelche Sozial- oder Arbeitslosenhilfen abgefedert. Also muß er immer wieder ran, um sich aus seiner chronischen Finanzklemme zu befreien. Und da ist ihm jeder Job recht. Er darf ihn nur nicht zu sehr binden. "Es gab keine Betriebsrenten, die einen umtrieben, keine Digitaluhren zum fünfzigsten Dienstjubiläum, keine nervtötenden Forderungen nach Loyalität oder Betriebstreue. Kurz es war etwas für den Lebensunterhalt, aber nie und nimmer ein Beruf." [104] - eine passende Devise für Donalds Berufswahl.

Rührt seine Unlust an einer dauerhaften Arbeitsbindung vielleicht auch daher, daß er der Erbe des größten Vermögens der Welt ist? Gut, die Frage, wer letztendlich Dagoberts Erbe wird, ist noch nicht zu 100 Prozent geklärt, aber Donald ist auf jeden Fall ein heißer Kandidat. Vielleicht nur von einem Teil des Gesamterbes, aber auch dieser Teil wird unermeßlich groß sein.

Doch Donald verhält sich nicht wie der Erbe eines riesigen Vermögens und Donalds Umgebung sieht in ihm auch nicht den Erben, dann würde er nämlich viel mehr hoffiert und abgeschleimt werden. Also wo liegt das Problem? Oberflächlich gesehen tritt es überhaupt nicht zu Tage. Donald lebt zwar ständig über seine Verhältnisse, schafft es aber immer wieder seinen Schuldenberg durch eigene Tätigkeit abzubauen und nicht durch Kredite auf eine zu erwartende Erbschaft. Auf der anderen Seite schaffte er es aber nicht, sich eine eigene, langfristige, zukunftssichere Existenz aufzubauen. Und hier wird sein Erbe zum Problem. Denn tief in seinem Unterbewußtsein schlummert das Wissen um sein Erbe und entzieht ihm immer wieder die Energie zu einer dauerhaften Arbeitsbindung.

Wie überall im Leben können Teile der Verwandtschaft zu einem großen Problem werden. So auch bei Donald. Seine verwandtschaftlichen Probleme hören auf die Namen Dagobert Duck, Gustav Gans und Tick, Trick und Track.

Stetige Lohnabhängigkeit, permanente Verfügbarkeit, niederste Arbeiten, Dauerschuldner, aber auch ständiger Begleiter auf abenteuerliche Reisen in alle Ecken der Welt - so läßt sich in knappen Worten Donalds Verhältnis zu Dagobert anreißen. Ein Anruf genügt und Donald hat keine, absolut keine Chance sich Dagoberts Wünschen oder besser Befehlen zu entziehen. Er muß antanzen! Aber warum? Hier gibt es mehrere Gründe: ein unschlagbarer ist die gewaltig lange Schuldenliste, die Dagobert von Donald besitzt (also Erpressung), ein anderer ist die unbändige Lust an Reisen und Abenteuern, ein weiterer die Aussicht auf die gewaltige Erbschaft (siehe oben).

Auf einer ganz anderen Ebene liegt Donalds Problem mit Gustav Gans. Hier spielt Eifersucht die Hauptrolle. Donald ist auf Gustav eifersüchtig, weil dieser Konkurrent beim Buhlen um Daisys Gunst ist. Und Donald ist auf Gustav eifersüchtig, weil dieser im Gegensatz zu ihm, dem ewigen Pechvogel, ein ewiger Glückspilz ist. Beide haben zwar gemeinsam, daß sie sich dem Leistungsprinzip unserer Gesellschaft verweigern und sorglos in den Tag hineinleben. Doch wenn Gustav stets zur rechten Zeit eine gefüllte Brieftasche findet oder nach Belieben Preisausschreiben und Lotterien gewinnt, muß Donald in der Margarinefabrik malochen oder bei Dagobert Münzen polieren. Kein Wunder, daß Donald seinem Vetter Gustav lieber aus dem Weg geht.

Wieso stellen jedoch Tick, Trick und Track für Donald ein Problem dar? Nun, eben haben wir gehört, daß Donald wie Gustav gerne sorglos in den Tag hineinleben - mit dem kleinen Unterschied, daß Gustav nur für sich selbst Verantwortung trägt. Donald muß zusätzlich für Tick, Trick und Track sorgen und das ist eine völlig andere Dimension. Dadurch ist er gezwungen, sich wohl oder übel dem Leistungsprinzip unserer Gesellschaft zu unterwerfen, denn eine Familie mit schulpflichtigen Kindern hat ganz andere Ansprüche als ein Alleinstehender. Ein weiterer Aspekt der Familie ist der, daß Donald eine erzieherische Verantwortung trägt. Früher, als die Kinder noch klein waren, wurden erbitterte Kämpfe zwischen dem autoritären Donald und den aufmüpfigen Kleinen ausgetragen, doch im Laufe der Jahre ist aus dem Kampf gegeneinander ein Kampf miteinander geworden. Die stetigen Mißerfolge Donalds bedrücken auch Tick, Trick und Track und wo es nur geht, versuchen sie seinem Ansehen aufzuhelfen. Heute stellen sie sich als gutes Team vor, in dem jeder seine Position hat.

Was Donald häufig Probleme bereitet, ist sein affektives Verhalten. Wissenschaftler sprechen hier von "einer hochgespannten Innenlage bei gleichzeitiger Blindheit gegenüber der Gegenstandswelt." [112]. Ausgelöst werden diese Affekte regelmäßig durch seine Nachbarn Zorngiebel, Zanker oder Schurigl sowie durch seinen Vetter Gustav Gans, häufig auch durch Daisy, Dagobert oder Tick, Trick und Track. Jähzorn, Tobsucht, cholerische Anfälle und Aggression sind dann die heftigsten Reaktionen. Sie stehen ganz im Gegensatz zu seinem sonstiges Verhalten, daß durch einen ausgeprägten Hang zum Faulenzen und zum Schlafen geprägt ist.

Laßt mich dieses Kapitel mit einem Liedtext von den Prinzen beenden. Ich mag ihre Musik überhaupt nicht, aber der Text ist einfach genial und soll als Wink für Donald verstanden werden:

"...Du mußt ein Schwein sein in dieser Welt

Du mußt gemein sein in dieser Welt

Denn willst du ehrlich durchs Leben geh'n

Kriegst'n Arschtritt als Dankeschön..." [107]

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