Das Donald Duck Dossier: Kapitel 2 - Donald als Ente © by Volker Böhme

Es war die scholastische Philosophie, die unendliche Abhandlungen über die Wesenheit eines Dinges als eines Seienden verfaßte. Aber kann man Donald unter diesem Aspekt sehen? Ich meine: Nein! Donald ist ganz einfach eine Ente. Einfach? Ente? Steigen wir doch mal ein bei der Lehre vom Leben, der Biologie. Was finden wir dort alles?

Zum Beispiel die 'Ente': "Im übertragenen Sinn soviel wie falsche Nachricht, besonders eine in Zeitungen verbreitete Fabel oder Lüge (Zeitungsente). Früher gebrauchte man für erlogene und unglaubliche Dinge und Erzählungen den Ausdruck 'blaue (d.h. fabelhafte) Ente', der sich schon bei Sebastian Brant und Luther findet." [102].

Uups, da habe ich mich wohl etwas vergaloppiert oder?! Aber wenn man bedenkt, daß die Erzählungen über Donald ausgedacht (erlogen ist zu hart) und unglaublich sind, daß sie in Zeitungen (heute Zeitschriften) erscheinen, daß er durch seinen Matrosenanzug immer blau gekleidet ist, dann hat Donald alle Merkmale einer Zeitungsente. Ein wenig weit hergeholt, aber ein gewisser Witz ist doch dabei. Man stelle sich vor: in einer Zeitungsente spielt eine Ente die Hauptrolle, die einen Menschen darstellt. Ganz schön kurios.

Werden wir etwas ernsthafter und schlagen unter dem Begriff 'Enten' nach: "Unterfamilie der Zahnschnäbler, aus der Ordnung der Schwimmvögel, sind Vögel mit kurzem Leib, dickem Kopf, mittellangem .. Schnabel mit kleinem Nagel, kurzem oder mittellangem Hals, .. kurzem, breitem Schwanz und weit nach hinten gestellten, niedrigen, bis zur Ferse befiederten Füßen mit großen Schwimmhäuten und schwachen Krallen. Die Männchen tragen ein buntes Hochzeitskleid mit lebhaften Farben und metallisch glänzendem Spiegel. Die Enten sind über die ganze Erde verbreitet, jedoch in heißen und gemäßigten Gegenden artenreicher, während in den kalten große Scharen ein und derselben Art leben." [102]

Tja, gehört Donald nach dieser Beschreibung zu den Enten? Ein bißchen hat er ja davon mitbekommen: kurzer Leib, dicker Kopf, kurzer Hals, kurzer, breiter Schwanz und weit nach hinten gestellte Füße mit sogar übergroßen Schwimmhäuten, sowie die Verbreitung seiner Familie über die ganze Erde. Aber er hat auf keinen Fall einen mittellangen Schnabel, er hat einen riesigen, dominierenden. Und von lebhaften Farben kann Donald nur träumen, er ist schlicht weiß. Die Aussage "auf einen Enterich kommen 4-6 Enten" entbehrt bei Donald jeglicher Grundlage. Und seine übergroßen Augen werden nirgends klassifiziert.

Das heißt, daß die normale Charakteristik der Enten nur teilweise Donalds Merkmalen entspricht. Unter der Vielzahl der bekannten Entenarten findet man jedoch immer wieder einzelne Wesenzüge, die hervorragend auf Donald passen: die Pekingente ist "weiß mit gelblichem Schein, tiefgelbem Schnabel, aufrechter Haltung", die Bisamente gilt als "streitsüchtig", die Brandente als "überaus mutiger Vogel" [102]. Aber eine hundertprozentige Übereinstimmung unter dem Stichwort 'Enten' läßt sich definitiv nicht finden.

Beschließen wir unsere Suche bei den 'Entenverwandten' [105], das ist eine Unterfamilie, die alle jetzt noch übrigbleibenden Entenvögel zusammenfaßt. Zu ihnen gehören als erste Gattungsgruppe die 'Halbgänse', die neben enten- auch gänseähnliche Eigenschaften, zumindestens äußerlich, besitzen. Zum Beispiel, daß Männchen und Weibchen meistens gleich gefärbt sind. Klingt interessant: Daisy und Donald sind beide weiß. Und Gustav Gans ist Donalds Vetter! Also kümmern wir uns doch etwas mehr um diese Halbgänse. Aber weder Brandgans, Rostgans, Kasarka, Spiegelgans, Dampfschiffente oder Schopfente zeigen an, daß sie zu Donalds Gattung gehören könnten.

Forschen wir weiter: als nächste Gattungsgruppe der Entenverwandten finden wir die 'Schwimmenten'. Bei der Hälfte der Arten ist das Gefieder in beiden Geschlechtern gleich gefärbt, meist unscheinbar - hört sich gut an. Fleckenenten sind scheue Einzelgängen - paßt nicht auf Donald. Stockenten sind anspruchslos und anpassungsfähig, die Stimme in beiden Geschlechtern ist unterschiedlich - Naja. Interessant bei den Stockenten ist, daß sie schon im Altertum vom Menschen zu Haustieren gemacht wurden. Dieser Vorgang der Domestikation setzt sich bis in die heutige Zeit fort. Erneut stoßen wir auf die Pekingente (siehe weiter oben): "Die europäischen Hausenten sind heute zum größeren Teil Pekingenten amerikanischer Zuchtrichtung" [105]. Allein der Gedanke, daß Donald eine Pekingente amerikanischer Zuchtrichtung sein könnte, läßt mich schaudern. Schnatterente, Pfeifente, Spießente, Knäkente, Löffelente - alle viel zu bunt. Immerhin besitzt die Löffelente ein interessantes Merkmal, einen breit ausgezogenen Schnabel.

Die nächsten Gattungsgruppen 'Eiderenten', 'Tauchenten', 'Glanzenten', 'Meerenten'und 'Säger' bringen uns bei unserer Suche leider nicht viel weiter. Wenn man davon absieht, daß Tauchenten "gesellig in größeren Gruppen" leben und Glanzenten "eine Vorliebe für bewaldete Wohngebiete" haben.

Die letzte Gattungsgruppe sind die 'Ruderenten'. Sie stehen im zoologischen System recht abgesondert da und zeichnen sich unter anderem durch flache, breite Schnäbel aus - das ist aber auch schon alles, was an Donald erinnert.

Was ist Donald nun für eine Ente?

Trotz eingehender Beobachtungen und Forschungen kann ich keine eindeutige Zuordnung zu einer bekannten und erforschten Entenart treffen. Donald besitzt sowohl Merkmale von Enten als auch von Entenverwandten und sogar von Zeitungsenten. Entweder ist er eine von der Wissenschaft vergessene, unentdeckte Gattung - was unwahrscheinlich ist - oder er stellt die letzte Stufe der Domestikation dar, die Vollendung zur Menschwerdung. Und damit ist ausgesprochen, was wir schon immer wußten: keine Ente der Welt ist menschlicher als Donald Duck!

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